2016 gründete Lani Lees ihr gleichnamiges Schmucklabel, dessen nachhaltige Kollektion aus recyceltem Edelmetall besteht. Grünes Gold, das muss kein Widerspruch sein, zumindest sinngemäß. Stilistisch setzt die gebürtige Kölnerin auf eine minimalistische, zeitlose Ästhetik statt auf schnelllebige Trends und verlässt sich bei den Entwürfen ganz auf ihre Intuition. Auch für die Gründung ihres Labels hat sich Lani mehr von Zufällen und ihrem Bauchgefühl leiten lassen, als von Strategien und Businessplänen. Ihre größte Inspirationsquelle? Für Lani ganz klar: „Musik verbindet uns unabhängig von Herkunft, Sexualität oder Geschlecht. Dieses Gefühl möchte ich auch mit meiner Arbeit transportieren.“
In ihrem Kreuzberger Loft haben wir mit Lani über die Herausforderungen der Selbstständigkeit, saubere Lieferketten und genderneutralen Schmuck gesprochen, der weder männlich noch weiblich etikettiert ist.
Lani, was reizt dich daran, Schmuck herzustellen?
Schmuck hat oft etwas mit Liebe zu tun. Wenn man darüber nachdenkt, weiß man fast bei jedem Stück, in welchem Moment man es bekommen oder sich selbst geschenkt hat, in welcher Stimmung man war und wo man es gefunden hat. Schmuck ist immer mit einer persönlichen Geschichte und Emotionen aufgeladen und genau das gibt ihm eine Bedeutung noch über seinen materiellen Wert hinaus.
Wie genau bist du zum Schmuckdesign gekommen?
Ich habe schon immer gern handwerklich gearbeitet und mich so auch kreativ ausgedrückt. Das habe ich wahrscheinlich von meiner Mutter, die viel genäht hat und auch sehr schmuckaffin ist. Für mich war es daher naheliegend, auch etwas Kreatives zu machen. Nach meiner Lehre für Bekleidungstechnik habe ich einfach bei meinem liebsten Schmuckgeschäft angeklopft und nachgefragt, ob ich dort eine Ausbildung machen könnte. Mich hat Schmuck immer fasziniert, aber ich wusste nichts über den Entstehungsprozess. Hämmern, Löten, Sägen, Chemie, das habe ich erst durch meine Goldschmiedelehre kennengelernt.
Und wie ging es nach deiner Lehre weiter?
Ich konnte mich noch immer nicht zwischen Mode und Schmuck entscheiden. Deshalb bin ich für eine Assistenz zu einer Designerin nach Berlin gezogen. Danach habe ich ein Modestudium begonnen, das mich aber nicht wirklich erfüllt hat. Während des Studiums habe ich mir dann in der Nähe meiner Uni ein Studio mit einer Freundin gemietet, ohne genau zu wissen, was ich darin überhaupt herstellen möchte. Wenn ich diese Entscheidung heute reflektiere, war das schon recht mutig, denn ich wusste damals nicht mal, wovon ich die Miete bezahlen soll. Oft sind Entscheidungen, die spontan aus dem Bauch getroffen werden, aber sowieso die allerbesten.
Der Moment, sich endgültig auf Schmuck zu konzentrieren, kam wann?
Wie der Zufall es wollte, wurde auf dem Gelände meines Studios ein Designmarkt veranstaltet, an dem ich teilnehmen wollte. Dafür habe ich dann schlichte Ketten mit Buchstaben und Sicherheitsnadeln aus recyceltem Silber als Ohrringe - die ich in einer abgewandelten Form immer noch verkaufe - gefertigt. Am Ende habe ich fast alles verkauft und hatte plötzlich zu meiner wirklichen Leidenschaft gefunden. Das war im Dezember 2016 und quasi der Beginn von Lani Lees Jewelry.
Mode ist sehr schnelllebig, du stellst jetzt ein maximal langlebiges Produkt her. War das auch ein Grund, sich für den Schmuck zu entscheiden, weil er eine größere Wertigkeit als viele Klamotten hat, die oft nur ein paar Saisons überleben?
Genau, mir wurde irgendwann bewusst, dass ich ein zeitloses und langlebiges Produkt entwickeln möchte - daher war Schmuck am Ende doch sehr naheliegend für mich. Ich musste nur über Umwege selbst dazu finden.
Wovon lässt du dich dafür am meisten inspirieren?
Musik ist für mich das Allerwichtigste und verbindet uns unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder Sexualität. Genau dieses Gefühl möchte ich auch mit meiner Arbeit transportieren. Aus diesem Grund ist das Symbol meines Labels auch ein mathematisches Gleichheitszeichen, das in meine Schmuckstücke eingesägt ist.
Wie genau kann man sich deinen Designprozess vorstellen?
Wenn ich Schmuck designe, skizziere ich meine Einfälle, schaue mir Bilder als Referenzen an und stelle dann Prototypen mit Wachs her. Man kann sich das wie Holzschnitzen vorstellen. Es ist ein intensiver Entwicklungsprozess, zu seinen Designs zu finden, man schmirgelt, klopft, biegt, feilt. Es ist schön zu sehen, wie sich ein Entwurf materialisiert, wie eine Idee Form annimmt. Drei meiner Ringe sind im Set gleich hintereinander entstanden, an manchen Tagen hat man eben einen richtigen Flow!
Wie würdest du deine Schmuckästhetik beschreiben?
Ich finde, Schmuck muss nicht perfekt hochpoliert sein, sondern einen individuellen Charakter und kleine Unregelmäßigkeiten haben. Meine Entwürfe sind minimalistisch, gleichzeitig mag ich es lieber massiver als zu filigran. Durch die Herstellung in Handarbeit ist jedes Teil ein Unikat. Selbst meine Siegelringe haben keinerlei Gravur oder Initialen, sondern sind schlicht gehalten.
Eigentlich paradox: Der Siegelring, der früher ein Zeichen für Autorität und Macht war und mit einer privilegierten Oberschicht assoziiert wurde, steht bei dir für Diversität und Inklusion. Es ist quasi ein Remake des traditionellen Siegelrings und macht die Ringe genau deshalb so modern.
Früher konnte man an den Ringen einen gesellschaftlichen Status erkennen, bei mir ist diese Prägung quasi eine Leerstelle, die deshalb aber auch alles bedeuten kann und für Freiraum steht. Ich wollte mich von der Bedeutung des Siegelrings lösen und mich nur auf die Konturen konzentrieren.
In der letzten Zeit haben sich Geschlechtergrenzen in der Mode glücklicherweise immer mehr aufgelöst. Auch dein Schmuck ist unisex.
Ich wollte nie eine nach Geschlechtern aufgeteilte Kollektion entwickeln, diese Trennung würde für mich keinen Sinn ergeben und nur einschränken. Wenn ich ein Schmuckstück entwerfe, denke ich an das Material, die Form und die Struktur. Woran ich noch nie gedacht habe, sind Männer oder Frauen.
Was meinst du, Silber und Gold zusammentragen?
Definitiv!
War es für dich schon immer wichtig, etwas handwerklich herzustellen?
Für mich ist es fast meditativ, mit meinen Händen zu arbeiten. Ich sehe auch sofort den Unterschied, ob ein Produkt maschinell oder handmade hergestellt wurde, dementsprechend ist das auch der Anspruch, den ich an meine eigenen Produkte habe.
Nachdem du deine ersten Entwürfe hergestellt hattest, wie hast du auf dich aufmerksam gemacht?
Instagram war von Anfang an mein wichtigstes Tool zur Kommunikation und hat meine Brand recht schnell bekannt gemacht. In meinem Freundeskreis gibt es viele Fotografen und Stylisten, die den Schmuck bei Shootings eingesetzt haben, auch so wurden immer mehr Leute auf meine Produkte aufmerksam. Irgendwann war ich dann auch bereit, mein eigenes Studio zu beziehen. Es war ein besonderer Moment, endlich an meiner eigenen Werkbank zu sitzen, gefüllt mit Werkzeug. Als ich angefangen habe, hatte ich nichts und musste mir andauernd etwas leihen. Es ist schön, wie organisch sich alles entwickelt hat.
Wenn du dir eine Kampagne ausdenkst, worauf legst du wert, was ist dir wichtig zu kommunizieren?
Authentizität ist mir das Allerwichtigste, ich möchte vor und hinter der Kamera mit einem Team arbeiten, das meine Werte vertritt und so echte Geschichten erzählen. Natürlich sind meine Produkte bei den Shootings in Szene gesetzt und gestylt, aber es ist mir wichtig, dass trotzdem alles sehr natürlich wirkt. Ich möchte auch Unperfektheiten zeigen und würde niemals Narben überschminken oder die Bilder bei der Post-Production stark mit Photoshop bearbeiten. Am liebsten inszeniere ich meinen Schmuck am tanzenden Körper.
In deinem Loft fließen Arbeiten und Wohnen räumlich ineinander. Wie ist dein typischer Tagesablauf, da du ja nicht in eine separate Werkstatt gehst?
Noch vor ein paar Jahren hätte ich es gebraucht, einen Weg zur Arbeit zu haben und meinen persönlichen und beruflichen Ort zu trennen. Jetzt habe ich meinen Rhythmus gefunden und finde es schön, dass bei mir räumlich vieles am gleichen Ort stattfindet. Ich habe aber trotzdem klare Routinen, stehe immer ungefähr zur gleichen Zeit auf, verlasse für Sport morgens auch erstmal das Haus und ziehe mich dann bewusst für den Tag an. Es ist also nicht so, als ob ich mich aus dem Bett gleich im Pyjama auf die Werkbank fallen lassen würde.
Ist es eigentlich eine Herausforderung, hauptsächlich online zu verkaufen? Gibt es nicht viele Leute, die Schmuck erst anprobieren wollen, um zu sehen, wie schwer er ist und wie er sich anfühlt?
In den letzten Jahren ist das digitale Einkaufen glücklicherweise immer selbstverständlicher und vertrauter geworden, aber ich möchte mich in der nächsten Zeit trotzdem noch mehr auf Pop Up-Events konzentrieren, um meinen Schmuck live zeigen zu können und mit potentiellen Konsument:innen auch persönlich ins Gespräch zu kommen.
Niemand kann sich guten Gewissens mit etwas schmücken, wofür andere ausgebeutet werden. Deshalb darf man keine Kompromisse bei dem Bezug von Rohstoffen eingehen und braucht eine strenge Rückverfolgbarkeit der Lieferkette - oder?
Klares Ja! Bei meinen Materialien bediene ich mich aus einem Kreislauf und arbeite ausschließlich mit recyceltem Silber und Gold. Bei Kleinteilen ist es allerdings fast unmöglich, die Materialherkunft nachzuvollziehen, weshalb ich mich dazu entschieden habe, alle Verschlüsse selbst zu fertigen. In Thailand, wo meine Mutter lebt, sieht man überall Fleischerhaken, deshalb habe ich meine Verschlüsse diesen Haken nachempfunden. Ich finde sie sehen dynamischer aus als die maschinellen Karabinerverschlüsse, sie sind nachhaltiger und gleichzeitig sind sie zu einer Signatur von mir geworden.
2020 war wirklich kein Jahr, das gestrahlt und geleuchtet hat. Wie hat sich das auf dein Business ausgewirkt?
Natürlich dachte ich am Anfang der Pandemie: ‚Oh Gott, wer wird sich jetzt etwas bei mir kaufen?!’ Wer braucht schon neuen Schmuck, wenn man im Lockdown ist. Es hat sich aber gezeigt, dass gerade in dieser Zeit handwerkliche Qualität und die Langlebigkeit von Produkten besonders wertgeschätzt wurden.
Wie definierst du für dich Erfolg? Es geht ja nicht nur um höher, schneller, weiter...
Natürlich kann man Erfolg ganz klar an Zahlen messen, aber für mich ist Freiheit das Allerwichtigste. Ich arbeite viel, trotzdem fühlt es sich nicht wie eine Tätigkeit nur zum Geldverdienen an, sondern ist ein Teil meiner Identität.
Whats next for Lani Lees Jewelry?
Ich möchte auch über Deutschland hinaus weiter bekannt werden und habe einige Kooperationsideen. Außerdem gibt es noch eine neue Kollektion, die meine Signature Pieces bald ergänzen wird. Mein größtes Ziel ist es aber, zu bewegen.
Was ist eigentlich das beste Kompliment, das du für deine Arbeit bekommen kannst?
Zu wissen, dass mein Schmuck mit wichtigen Erlebnissen und Momenten von anderen Menschen verbunden ist, macht mich sehr glücklich. Ich liebe es, die Geschichten dazu zu hören. Mein Schmuck hält bestimmte Erinnerungen lebendig - das ist ein schöner Gedanke.