Berlin ist eine Stadt, die lange auf der Suche nach ihrer Position in der Modewelt war - und es immer noch ist. Die Fashion Week im Januar hat allerdings eindeutig bewiesen: Die deutsche Modeszene ist vielfältig wie nie und voller Energie, Experimentierfreude, Lebendigkeit. Womöglich konnten diese Kräfte auch durch den Abgang des Hauptsponsors freigesetzt werden. Neue Labels sind in dieser Saison dazugekommen und etablierte Marken haben sich wieder dazu entschieden, in Berlin zu zeigen.
Am letzten Tag der BFW hat Olivia Ballard mit ihrem gleichnamigen Label ihre allererste Show in der MaHalla in Oberschöneweide ausgerichtet und damit für einen gebührenden Abschluss der Modewoche gesorgt. Bekannt geworden ist Olivia mit genderfluiden, dabei aber hyperfemininen Designs aus semitransparenten Mesh-Stoffen, die sie vor allem für sich selbst entworfen hat und damit eher zufällig ein Label gegründet hat. Jedes ihrer Kleidungsstücke kann auf unterschiedliche Weise getragen und geknotet werden, dass sie ihre Designs für die unterschiedlichsten Körperformen anfertigt, war für Olivia von Anfang an Selbstverständlichkeit.
Im Sommer ‘21 haben wir Olivia bereits in ihrer Neuköllner Wohnung, die damals auch als Studio fungierte, besucht und mit ihr über die Vision ihres Labels und Arbeitsprozesse gesprochen. Es könnte kaum einen besseren Zeitpunkt geben, um erneut mit Olivia darüber zu sprechen, wie sich ihr Label in den letzten Monaten weiterentwickelt hat.
Spyros Rennt hat für uns vor der Show Backstage fotografiert.
Olivia, kannst du uns etwas über den kreativen Designprozess deiner ersten Show "At Dusk” erzählen?"
Dusk“ ist zu einer Metapher für den Moment geworden, in dem man in eine neue Phase tritt. Durch die Show hatte ich die Möglichkeit, eine ganze Kollektion zu entwerfen, was wir davor noch nie gemacht haben. Der Prozess war ein richtiges Vergnügen im Vergleich zu dem reinen Produktionsmodus unserer Mesh-Stücke. Wir haben in dieser Zeit sogar alle Verkäufe pausiert, um diesem Projekt unsere ganze Aufmerksamkeit zu widmen. In den letzten zwei Jahren sind so viele Ideen in meinem Kopf herumgeschwirrt, die ich alle integrieren wollte. Sie sind alle nur so aus mir herausgeströmt, als ich diese Gelegenheit bekommen habe, eine Show zu veranstalten.
Viele deiner Freunde und sogar deine Mutter sind in der Show gelaufen, wodurch das ganze Event sehr persönlich wurde. Wie hast du entschieden, wer deine Designs repräsentieren soll?
Having my mom walk was such an iconic moment. Sie ist so eine starke, schöne Frau, die genau das verkörpert, was ich mit der Marke Olivia Ballard ausdrücken möchte: Selbstsicherheit ohne Arroganz, starker Charakter und unkomplizierte Eleganz. Für mich kommt Style vor allem durch Charakter, der Mode ja erst zum Leben erweckt. Es war von daher ganz selbstverständlich, dass ich meine Freund:innen als Models caste, da sie die richtige Energie und den richtigen Style haben.
Wie genau war deine Herangehensweise an die Show und mit wem hast du zusammengearbeitet?
Bei einer Show geht es vor allem um den Moment und um die Dramatik der Präsentation. Es geht darum, in welchem Kontext die Kleidung gezeigt wird. Für mich waren alle Elemente wichtig, wobei ich auch das Publikum als einen wichtigen Teil sehe. Als Inspiration habe ich vor allem an die Runway Shows der 90er gedacht und die Happenings der 70er.
Für das Set Design haben wir mit Emilia Margulies zusammengearbeitet, die den Laufsteg als 76 Meter langen Tisch inszeniert hat, um den herum das Publikum gesessen hat. Ziel war es, die starre Form, die man bei vielen Schauen sieht, aufzubrechen. Der Sound wurde von Psssh Records komponiert. Saint Precious, eine aufstrebende Künstlerin für zeitgenössischen Soul, hat die Show mit einem geradezu engelsgleichen, noch unveröffentlichten Stück eröffnet. Für das Licht war Veslemøy Holseter, der Beleuchtungsdesigner des Berghains, verantwortlich, Naomi Gugler für das Make-up und Dushan Petrovich für die Frisuren. Mortiz Freudenberg hat die ganze Show gefilmt und Filip Setmanuk, ein CGI Künstler, wird eine virtuelle Welt mit Scans der Models kreieren, die wir schon bald veröffentlichen.
Den Berlin Contemporary Prize gewonnen zu haben hat mir die Möglichkeit gegeben, mit so vielen großartigen Künster:innen zusammenzuarbeiten, was davor nur eine unerfüllte Vision war, da mir natürlich die finanziellen Mittel gefehlt haben.
Die Berliner Fashion Week im Januar wurde von vielen sehr positiv wahrgenommen. Was sind für dich als Designerin Gründe, weshalb der Standort hier interessant ist?
Viele haben Berlin nicht als Modemetropole auf dem Schirm, weshalb man sich hier immer noch in unbekannten Gewässern befindet. Gleichzeitig gibt dir das noch Unentdeckte viele Freiheiten und mehr Gestaltungsmöglichkeiten, als du sie in Paris oder New York hast. Eine Show in Berlin zu zeigen, bedeutet, dass du in deiner eigenen Kategorie bist. Natürlich gibt es bessere Orte für Sichtbarkeit, aber dieses Opfer muss man eben bringen. Ich bin davon überzeugt, dass die Show etwas von ihrem guten Chaos und ihrer Echtheit und Direktheit verloren hätte, wenn wir sie an einem anderen Standort gezeigt hätten.
Wie würdest du die Ästhetik oder DNA deiner Brand beschreiben und wie haben sich deine Designs seit der Labelgründung weiterentwickelt?
Mich fasziniert es, die Spannungen zwischen Entblößung und Verhüllung zu erforschen und zwischen etwas, das sowohl stark als auch weich ist. Es interessiert mich, Kleidungsstücke zu erschaffen, die Transformation symbolisieren. Obwohl wir uns auf neue Materialien konzentrieren, möchten wir unseren Körperfokus bewahren und Ideen, die bei Mesh- und Stretchstoffen gut funktioniert haben, auch für strukturiertere Kleidungsstücke übersetzen.
Zum Schluss musst du uns noch verraten, was bei dir als Nächstes geplant ist!
Natürlich wollen wir weiter wachsen, aber nur mit dem richtigen Team und den richtigen Werten. Gerade testen wir neue Materialien und Arbeitsprozesse und sind bereits dabei, die nächste Kollektion zu entwickeln. Ich bin begeistert, dass wir in den letzten Jahren das Fundament für die Marke gelegt haben – es fühlt sich so an, als könnten wir jetzt wirklich loslegen. It is just giving growth, more shows, more stores, more collaborations.