„Mit meinem Label möchte ich zeigen, wie vielfältig Mode in Deutschland sein kann und gerade in den letzten Jahren geworden ist,” erzählt Dilan Baziany. „Meine Eltern sind Ende der 80er aus dem Irak ausgewandert und nach Esslingen, in die Nähe von Stuttgart, gezogen. Die Stadt würde ich als typisch deutsch und ziemlich provinziell beschreiben, mir hat sie nie viel Inspiration geboten. Das Designen war deshalb wie free therapy für mich und meine Flucht aus dem Alltag.“
Für seine Mode bedient sich Dilan an seinem Leben als Inspirationsquelle, die eigenen Erfahrungen und Erinnerungen werden bei ihm zum Impulsgeber. Alles bei BZY ist persönlich. „Ich will die kurdische Kultur abseits der üblichen Stereotype zeigen und durch Mode einen Dialog entstehen lassen. Als queerer Deutscher mit kurdischen Wurzeln habe ich mich gerade als Jugendlicher nie wirklich repräsentiert und oft sehr allein gefühlt.“ Diversität ist in Deutschland längst gesellschaftlich gelebte Realität – zumindest in den großen Städten. Das spiegelt sich aber noch immer zu wenig in den kulturellen Narrativen wider. Mit seinem Label geht es Dilan vor allem um Sichtbarmachung. „Es gibt so viele Geschichten und Perspektiven in der deutschen Mode, die lange keine Aufmerksamkeit bekommen haben. Ich will meinen Teil dazu beitragen, das zu ändern.”
Dilan, wie würdest du deinen persönlichen Style beschreiben?
Elegant, classy und nen bisschen slutty.
Du designst sehr eng am eigenen Leben entlang und benutzt viele persönliche Referenzen. Deine Entwürfe würde ich als Remix aus modernen und traditionellen Einflüssen beschreiben. Wie definierst du deine Ästhetik?
Ich liebe Kontraste wie harte Materialien in soften Farben. Meine Mode ist ein ständiges Dazwischen: zwischen den Kulturen, zwischen feminin und maskulin. Sinnlich, aber dennoch stark. Wenn ich meine Designs mit einem Wort beschreiben müsste, würde ich sagen: powerful. Ich möchte meine Identität durch meine Marke zeigen und lasse mich von meinem Leben in Berlin genauso wie von den traditionell kurdischen Kleidern meiner Mutter inspirieren.
Wie war das eigentlich für dich, in Süddeutschland, in einer knapp 100.000 Einwohnerstadt, aufzuwachsen?
Meine Schulzeit war ein echter Horror, ich wurde ständig gemobbed und diskriminiert und war deshalb nie besonders laut und eher in mich zurückgezogen. Ich war ne richtig stille Maus.
Das kann man sich gar nicht mehr vorstellen!
Ich war schon immer kreativ und hatte ein Gestaltungsbedürfnis, aber habe das früher vor allem durch das Zeichnen ausgelebt. Modisch musste ich mich erst finden. In die Oberschule bin ich dann in Stuttgart gegangen, wodurch mein Stil viel mutiger geworden ist, aber in der Bahn zurück nach Esslingen habe ich mich am Anfang sogar wieder umgezogen, weil ich mich in den Klamotten nicht bei uns in der Stadt zeigen wollte. Irgendwann dachte ich mir: ‘Was soll dieses Nicht-zu-mir-Stehen?’ Ich musste mir selbst erst erlauben, die Mode zu tragen, die wirklich zu mir passt. Mit der Zeit bin ich dann immer selbstsicherer geworden.
Und welche Mode passt wirklich zu dir?
Ich mag das Spiel zwischen den Geschlechtern - sich den einen Tag hypermaskulin, dann wieder feminin zu kleiden. Für maskuline Looks lasse ich mich am liebsten von der Tom of Finland-Ästhetik inspirieren und kaufe auch Sachen im Shop von Harley Davidson, weil ich Leder liebe. Genauso gerne trage ich aber auch Miniröcke. So oder so mag ich die Provokation und Aufmerksamkeit durch meine Looks zu bekommen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich mich so lange unterdrückt gefühlt habe.
Woran arbeitest du aktuell?
Ich beschäftige mich gerade damit, wie BZY Businesswear neu interpretiert. Ich war früher fasziniert von den Charakteren in alten Filmen, die in Anzügen ins Büro gegangen sind und durch ihr Äußeres Selbstbewusstsein ausgestrahlt haben. Als ich mein erstes Praktikum gemacht habe, war ich total enttäuscht und ernüchtert von der tristen Arbeitswelt. Die Orte wurden im Film und in Serien wie Mad Men immer so dramatisiert, dass ich vom echten Leben richtig desillusioniert wurde. Deutsche Büros sind vor allem steril und langweilig und dem scheinen sich die meisten auch optisch anzupassen. Ich finde es spannend, wenn jemand seine berufliche Position auch durch Mode kommuniziert und setze mich deshalb für meine aktuelle Kollektion mit Workwear-Vibes auseinander. Der Anzug ist ja sowieso der große modische Verlierer der Coronakrise und braucht dringend ein Rebranding.
Leider leben wir in Zeiten schwindender Ressourcen und einer bedenklich aufgeheizten Erdkugel. Woher beziehst du deine Materialien und wie gehst du mit deinen Ressourcen um?Ich arbeite viel mit Lagerresten und Deadstock und kaufe eigentlich nur Fake Fur neu, weil sich das Material meiner Meinung nach nicht zum Recyceln eignet. Neulich habe ich eine ausrangierte Ledercouch auseinandergenommen und zerlegt und habe jetzt meterweise Leder for free für meine Designs. Sowas finde ich großartig. Für mich hat das auch was Rebellisches und fast eine politische Dimension, das wiederzuverwerten, was die Gesellschaft für überflüssig erklärt.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Ich bin ein echtes Internetkind - wenn ich an meinen Designs arbeite, denke ich oft an ein Online Game, in dem man am Anfang unterschiedliche Spieler:innen ankleidet und so Charaktere entwirft und eine eigene Welt kreiert. Mir gefällt, dass das Internet die Mode demokratisiert und sich Trends grenzenlos verbreiten können.
Wie würdest du Erfolg für dich definieren?
Als ich mich vor ein paar Jahren für das Modestudium beworben habe, konnte ich weder nähen noch Schnittmuster zeichnen. Jetzt habe ich mein eigenes Label, mit dem ich meine Visionen umsetzen und mein eigenes Image kreieren kann. Ich wusste schon damals, dass Designen das Einzige ist, wofür ich morgens aufstehen will und wofür sich all die Anstrengungen lohnen werden.
Was möchtest du mit deinem Label in der Zukunft erreichen?
Dieses Gefühl, das ich durch bestimmte Kleidungsstücke kriege, die ich anziehe und merke, wie sie mich vervollständigen - das wünsche ich mir, anderen durch meine Mode geben zu können.