Celine Dijjon ist angekommen. Doch ihr Weg zur Selbstfindung – sowohl beruflich wie auch persönlich – war nicht immer einfach. Bereits als Kind wurde ihr bewusst, dass ihre Identität nicht mit dem bei der Geburt zugeordneten Geschlecht übereinstimmte. „Es waren äußere Merkmale, die bei mir nicht zusammengepasst haben und das habe ich korrigiert. Ich passe sie meinem Empfinden an, das seit jeher weiblich war. Ich weiß, dass es sich gelohnt hat. Mein Kopf und Körper harmonieren endlich.“
Seit zwei Jahren hat Celine mit OnlyFans nicht nur einen lukrativen, sondern auch einen für sie erfüllenden Job gefunden, der es ihr ermöglicht, die Kontrolle über ihre berufliche Karriere zu übernehmen. In einem ehrlichen und mutigen Interview hat sie mit uns darüber gesprochen, wie es ist, seine Träume Realität werden zu lassen.
Celine, du bist seit zwei Jahren sehr erfolgreich mit OnlyFans. Wie bist du dazu gekommen?
Ich hatte damals einen Bürojob und habe mich unglaublich gelangweilt. OnlyFans war eigentlich eher als Hobby und privater Zeitvertreib gedacht, but it took off. Ich mag, wie selbstbestimmt ich als Cam-Girl arbeiten kann und dass nur ich als Creator entscheide, welche Bilder oder Videos online gehen. Grenzen habe ich nicht für mich festgelegt, aber es muss mir Spaß machen. Viele unterschätzen allerdings, wieviel Arbeit man investieren muss, bis schlussendlich der fertige Inhalt hochgeladen werden kann. Trotzdem ist OnlyFans wie die Erfüllung meines Traumjobs. Ich liebe es, mein eigener Boss zu sein.
Das heißt, es geht dabei um mehr als nur schnelles Geld für dich und käufliche Intimität für deine Fans?
Für mich geht es vor allem um Selbstermächtigung. Privat Sex zu haben oder vor der Kamera, sind zwei vollkommen unterschiedliche Erfahrungen. Es ist Vergnügen, aber eben auch Arbeit und soll nicht nur meinem Partner und mir Spaß machen, sondern auch meinen Zuschauern. Ich muss eine richtige Show abliefern, das nehme ich ernst.
Um dich etwas besser kennenzulernen: Erzähl uns doch kurz von deinem Background. Wie bist du aufgewachsen?
Ich komme aus einem kleinen, recht konservativen Dorf in Dänemark, in dem ich mich eigentlich schon immer eingeengt gefühlt habe. Bereits als Kind war mir bewusst, dass ich trans bin, schon damals habe ich ein Ungleichgewicht zwischen meinem Körper und meiner inneren Wahrnehmung gespürt. Da ich aber in meinem Umfeld ohne jede Referenz zur LGBTQ+ Community aufgewachsen bin, musste ich erst wirklich zu mir finden. Früher dachte ich: what you see is what you get. Mir war gar nicht bewusst, dass es noch so viele andere Möglichkeiten gibt, sein Leben nach ganz eigenen Visionen zu gestalten.
Aus deinem Dorf bist du dann nach Kopenhagen und mit Anfang zwanzig nach Berlin gezogen. Warum hast du Dänemark damals verlassen?
Mir war dort alles zu angepasst, ich wollte mehr Chaos. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur sagen: Wenn du nicht glücklich bist, get the fuck out. There’s a whole world waiting for you.
Kannst du sagen, wie lange du über deine Geschlechtsangleichung nachgedacht hast?
Ich bin ein intuitiver Mensch und treffe auch Entscheidungen mit weitreichenden Folgen, ohne sie vorher lange abzuwägen. An meinem 19. Geburtstag habe ich ein Youtube Video gedreht, das viral gegangen ist und worin ich meinen Entschluss für die Transition öffentlich gemacht habe. Ein Jahr später kam der Eingriff für die Gesichtsfeminisierung. Kurz darauf bin ich bei einer Familienfeier das erste Mal mit Heels, Kleid und Make-up erschienen. I looked stunning, but it was fucking scary. Am Anfang habe ich mich nicht mal getraut, irgendwem in die Augen zu schauen, aber ich wusste, dass ich diesen Moment durchstehen muss. Nicht nur für mich, sondern auch für meine Community. Mich zu verstecken, war noch nie eine Option. Warum auch? Es gibt nichts, wofür ich mich schämen muss.
Und wie geht es dir im Moment?
Ich versuche meine Transition als aufregende Reise zu betrachten, aber es ist definitiv ein radikaler Prozess. Am Anfang hat man durch die Östrogen-Hormontherapie viele Stimmungsschwankungen und muss auch seine Sexualität ganz neu kennenlernen. Ich bin stolz, dass ich mutig genug war, diesen Weg zuzulassen und auch gegangen bin. Maybe I was born with a dick, but that doesn’t make me less of a woman now.
Der Prozess macht doch aber bestimmt auch Spaß, weil du siehst, dass du auch äußerlich immer mehr zu dir findest.
Unbedingt, aber es braucht Zeit. Richtig gut mit mir selbst fühle ich mich seit einem Jahr. Es gab diesen Moment, wo ich beim Blick in den Spiegel dachte: ‚Fuck yesss! Das bin ich.’ I’m really enjoying my body now, it’s so much fun.
Gibt es auch Missverständnisse, mit denen du aufräumen möchtest?
Wenn du trans bist, passiert es oft, dass Leute dich sofort bedauern: „Ohh, she was born in the wrong body, I feel so sorry for her!“ Euer Mitleid könnt ihr gerne für euch behalten! Ich habe eben einen anderen Lebensweg als viele andere, aber der hat mich auch schon sehr jung sehr stark gemacht. Egal was jetzt noch auf mich zukommt, ich werde damit umgehen können. Ich habe vor nichts mehr Angst – auch nicht mehr davor, auf der Straße beleidigt zu werden.
Ist dir das denn früher passiert?
Ja schon - und es hat mich meist so runtergezogen, dass ich mich wie gelähmt gefühlt habe. It was so painful. Manchmal habe ich sogar eingebildete Stimmen gehört, weil mich die Beschimpfungen noch Tage später verfolgt haben. Jeder, der eine andere Person grundlos beleidigt, sollte reflektieren, was er - wahrscheinlich sogar ungewollt - damit auslösen kann.
Weiß deine Familie, womit du dein Geld verdienst? Sprichst du darüber mit ihnen?
Yap! Ich glaube, man wächst an seinen Aufgaben. Meine Eltern haben zwar immer noch viele Fragen und können nicht alle meine Lebensentscheidungen nachvollziehen, aber sie arrangieren sich so langsam damit. Ich lasse ihnen ja gar keine Wahl. Neulich wurde meine Mom gefragt, was ich jetzt beruflich mache und sie hat einfach geradeheraus gesagt: „Celine does porn now.“ Ich war wirklich erstaunt.
Von Honey Dijon gibt es das schöne Zitat „I don’t want to be a role model, I want to be a role possibility“ – ich finde, dass passt auch für dich gut.
Da hast du recht. Ich gehe obsessiv feiern, verdiene mein Geld mit OnlyFans und dann ist da natürlich noch meine Transition. Mein Leben ist bestimmt nicht Mainstream, manche finden es vielleicht auch kontrovers. Aber ich werde nicht irgendwann mit Bitterkeit über verpasste Chancen nachdenken. Jeder hat ja so eine Vorstellung davon, wer er werden wollte, als noch alles möglich war. Genau da bin ich jetzt angekommen. Es war alles andere als leicht, aber ich bin zu meiner eigenen Fantasie geworden.
Ich würde gerne mit dir über deinen Style und dein Verhältnis zu Mode sprechen. Wie hat sich das über die letzten Jahre verändert?
Am Anfang meiner Transition habe ich nur hyperfeminine Klamotten getragen, die kürzesten Röcke und die höchsten Schuhe, dazu heavy Make-up. Ich musste mich erst mit meiner eigenen Weiblichkeit zurechtfinden und habe es wahrscheinlich auch etwas übertrieben, weil ich unsicher war. Ich wollte sichergehen, dass jeder meine Femininität wahrnimmt. Endlich Brüste zu haben, war auch ein game changer, das hat viel verändert. Trans zu sein spielt in meinem Alltag inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle, manchmal denke ich tagelang nicht darüber nach. Ich definiere es gerne so: Früher hatte ich gender dysphoria, jetzt habe ich gender euphoria!
Ich würde gerne noch über Style und dein Verhältnis zu Mode sprechen. Wie hat sich das über die letzten Jahre verändert?
Am Anfang meiner Transition habe ich nur hyperfeminine Klamotten getragen, die kürzesten Röcke und die höchsten Schuhe, dazu heavy Make-up. Ich musste mich erst mit meiner eigenen Weiblichkeit zurechtfinden und habe es wahrscheinlich auch etwas übertrieben, weil ich unsicher war. Ich wollte sichergehen, dass jeder meine Femininität wahrnimmt. Endlich Brüste zu haben, war auch ein game changer, das hat viel verändert. Trans zu sein spielt in meinem Alltag inzwischen nur noch eine untergeordnete Rolle, manchmal denke ich tagelang nicht darüber nach. Ich definiere es gerne so: Früher hatte ich gender dysphoria, jetzt habe ich gender euphoria!
Was für ein schönes Sinnbild! Hattest du eigentlich Vorbilder, die dich inspiriert haben, als du aufgewachsen bist?
Ich wünsche keinem Kind, in einem so homogenen Umfeld wie ich aufzuwachsen, sondern durch Nachbarn oder Leute auf der Straße inspiriert zu werden, seinen ganz eigenen Lebensentwurf zu entdecken. Meine Vorbilder musste ich alle im Internet finden und sie sind richtige Klischees, oh my god. Früher war ich obsessed mit Lady Gaga und Gigi Gorgeous und habe alle Videos der beiden verschlungen. In meinem kleinen Dorf in Dänemark kam mir ihre Welt so weit weg vor, aber genau deshalb haben sie mich dazu animiert, meinen eigenen Träumen zu folgen.
Wenn du jetzt auf die letzten Jahre zurückblickst, was denkst du dann?
Ich schaue gern zurück, weil ich sehe, wie weit ich schon gekommen bin. Ich kann nur sagen: I want to thank myself!
Erzähl uns doch abschließend noch, was Freiheit für dich bedeutet.
Vor allem, mein eigenes Geld zu verdienen. I’m a material bitch, dazu stehe ich. Wirklich wichtig ist mir aber eine eigene Wohnung bezahlen zu können, in der ich mich geschützt fühle - und natürlich meine mentale Gesundheit. Viel zu lange war mein Selbstbild nicht im Einklang mit dem, was andere in mir gesehen haben, dass sich das geändert hat, gibt mir so viel Kraft. Wenn ich mich jetzt ansehe, denke ich: ‚You look sexy, you look female, you look - happy!’
Fotos: Pia Opp
Styling & Production: Nasi Goreng
H&M: Victor Carvalho